Münster im Rosafieber
Eine Idee, die viele für verrückt hielten, wird nun zur Realtität: Münster Ziel einer Giro-Etappe. Seit 1997 wurde an diesem Projekt gebastelt, die Initiatoren saßen in der nordniederländischen Stadt Groningen. Münster sprang ins Boot, heraus kam der Euro-Giro 2002. Diese 85. Italien-Rundfahrt verbeugt sich vor den Gründerländern (Niederlande, Deutschland, Belgien, Luxemburg, Frankreich und Italien) der Montan-Union, dem Vorläufer der heutigen EU, wie auch der Einführung des Euros.
Drei Mal Rundkurs durch die Altstadt
Trotz des Volleyballdamen-Rekordmeisters USC Münster eher sparsam mit hochklassigen Teams ausgestattet, stehen in der Universitätsstadt drei große Events an. Zunächst die Giro-Etappe, dann die Volleyball-Weltmeisterschaft der Damen mit dem deutschen Team im August und letztlich im September der 1. Münster-Marathon.
Nur: Publikumsmagnet wird die Einfahrt der Pedaleure sein, die in Westfalens Hauptstadt einen fünf Kilometer langen und spektakulären Rundkurs drei Mal durchfahren werden. Am Streckenrand wird mit 300 000 bis 400 000 Menschen bei der Durchfahrt der zehn deutschen Gemeinden an der Etappe gerechnet. Beim Finish in Münsters Innenstadt wird die Zuschauerzahl ebenfalls sechsstellig sein. Solche Zuschauermassen hat es hier bei einem Sportereignis noch nie gegeben.
Als Eddy Merckx in Münster einfuhr
Dabei gab es auch früher eine durchaus beachtliche Radsport-Gemeinde in Münster. Dieter Gieseler gewann 1960 bei den Olympischen Spielen in Rom als 19-Jähriger die Silbermedaille im 1000-m-Zeitfahren. Später folgte mit Dieter Giebken ein Tandem-Spezialist, der 1986 auch im Keirin auf der Bahn Vize-Weltmeister wurde. Bernd Rasing brachte es als Wasserträger der Rokado-Equipe 1972 zur Tour de France. Das Amateurrennen Enschede-Münster gewann 1964 ein gewisser Eddy Merckx. Glanz versprühte auch das Sechstagerennen, die Holzbahn der Halle Münsterland ist längst verkauft. Heute vertreten der Dritte der letztjährigen Deutschen Meisterschaft Christan Wegmann (Saeco/Italien) und sein Bruder Fabian Wegmann (Gerolsteiner) Münster im Profi-Radsport.
Und jetzt kommt der Giro. Er hat eine 93-jährige Tradition. Die Italiener Fausto Coppi und Alfredo Binda wie auch die belgische Rad-Legende Eddy Merckx gewannen das Rennen fünf Mal. Die Deutschen Hermann Buse (1932) und Gregor Braun (1981) trugen kurzfristig das "maglia Rosa", das rosa Trikot des Gesamtführenden. 1983 hatte Dietrich Thurau sogar die Chance zum Gesamtsieg.
Giro lockt täglich 30 Millionen vor den Fernseher
Aber auch das ist die Italien-Rundfahrt: Das Dopingproblem radelt mit. Im Vorjahr gab es die Razzia von San Remo, 96 Fahrer gerieten zwischenzeitlich unter Dopingverdacht, der Gesamtzweite Dario Frigo wurde disqualifiziert. Ähnlich erging es 1999 Marco Pantani, der einen Tag vor Ende des Giro sein Rosa-Trikot unter Dopingverdacht abgeben musste. Die bösen Buben sind, angeblich geläutert, wieder mit von der Partie. Letztlich geht es um 1,35 Millionen Euro Preisgeld, täglich sehen rund 30 Millionen Menschen weltweit die Übertragungen vom Giro (11.5. bis 2.6.). Eine große Show.
Viele mit Rang und Namen wie Vorjahressieger Gilberto Simoni oder die aufstrebenden Deutschen Matthias Kessler oder Raphael Schweda sind mit von der Partie. Die deutschen Mannschaften Team Telekom, Team Coast und Gerolsteiner sind eingeladen - 3334 km stehen an.
Euro-Giro plus Eurcity-Fest mit Udo Lindenberg
Die Logistik in Münster steht, fast 30 000 Parkplätze stehen in der Stadt für den großen Ansturm zur Verfügung. Der öffentliche Nahverkehr ist ganz darauf ausgerichtet, zumal an den drei Tagen zuvor das Eurocity-Fest – unter anderem mit einem Auftritt des Altrockers Udo Lindenberg - bereits die Massen anlockt. Die Münsteraner selbst werden großenteils stilecht mit ihrer "Leeze" angeradelt kommen. Das sind sie schon der mehrfachen Kür zur fahrradfreundlichsten Stadt schuldig.
Und nach dem Giro? Ein Weltranglistenrennen für U19-Junioren, die Münsterland-Tour, wie auch das Eliterennen Groningen-Münster (23. August) werden künftig regelmäßig ausgetragen. Der Giro d’Italia wird dafür das Feld bei Sponsoren und Zuschauern bestellen.