Tristesse und Monotonie oder Kleinstadtidylle?

25.01.2002

Thorsten Goldbergs "Detached Village" in der Städtischen Ausstellungshalle in Münster

(SMS) Einen Tag lang hat Thorsten Goldberg seine Videokamera auf einfache Häuser in einer ebenso einfachen Vorstadtsiedlung gerichtet - ohne Schwenk und ohne Schnitt. Die Tristesse, die monotone Kleinstadtidylle mit den Augen des Berliner Künstlers gesehen, provoziert Fragen, die Alltag und Gesellschaft in den Blick nehmen. "Detached Village" heißt die mehrteilige Videoinstallation von Goldberg, die in der Städtischen Ausstellungshalle Am Hawerkamp in Münster bis zum 10. März gezeigt wird.

Bis auf gelegentlich vorbeifahrende Autos und Radfahrer, eine graue und eine schwarze Katze, dem Postboten und das Spiel der Wolken bleiben die Filme weitgehend bewegungslos und stellen sich dementsprechend statisch dar. Bewegung erzeugt lediglich die langsame Fahrt der zehn Monitore, die in der Ausstellungshalle an sechs Meter langen Führungsschienen montiert und etwa 60 Zentimeter oberhalb des Bodens aufgehängt werden. Vom Ende der Schiene schweben sie in die Raummitte, nähern sich der Wand bis zum unvermeidlichen Aufprall, der dem Kunststoffgehäuse immer mehr Blessuren zufügt.

Von dort aus geht es zurück zur Ausgangsposition, wo der Ablauf erneut beginnt: langsam, kontinuierlich, vorhersehbar. Und trotzdem erzeugt der Zusammenprall immer wieder ein Überraschungsmoment durch das unangenehme Geräusch des Gehäuses auf der gemauerten Wand.

Ist das monotone Bild der Kleinstadtidylle wirklich so erschütternd, wie Goldbergs ‚Detached Village‘ es suggeriert? Dr. Gail Kirkpatrick, Leiterin der Städtischen Ausstellungshalle: "Auf jeden Fall provoziert die Arbeit solche Fragen, die das Alltägliche kritisch in den Blick nehmen lassen". Doch Goldberg forciere nicht nur eine beunruhigende Auseinandersetzung mit Sinn und Zweck banaler Alltäglichkeit. Mehr noch reflektiere er "mit überraschend einfachen Mitteln eine Systemanalyse, wie die Kunst am Beginn des 21. Jahrhunderts das Verhältnis von Wirklichkeit und deren Abbild sinnfällig erfassen kann".

Auch in einer weiteren - zweiteiligen - Videoprojektion hinterfragt der Künstler die idyllische Vorstellung von Kleinstadtleben. Ein Kinderbleistift, auf dessen Ende ein schwarzer Vogel sitzt, erfasst unablässig sämtliche in einer Kleinstadt veröffentlichte Polizeimeldungen. Keine wird in dem festgehaltenen Zeitraum von drei Monaten vergessen - der Stift notiert sie wörtlich und streng chronologisch.

Durch das Kratzen des Stiftes dringen vereinzelt Geräusche einer Stadt - Autolärm, Stimmen, Sirenen, auch Vogelgezwitscher. Dazu der Kontrast: In der gegenüberliegenden zweiten Projektion radiert ein Kinderradio in Form eines blauen Vogels alle Meldungen wieder hektisch aus. Im Hinterraum der Hawerkamphalle wird Thorsten Goldberg ein großes Glasfenster einbauen. Dieses gibt den Blick nach draußen auf die "bloße Wirklichkeit" frei und stellt damit die Frage nach einem "eigentlich wahren Blick".

Thorsten Goldberg (Jahrgang 1960) lebt und arbeitet in Berlin. Der mehrfach ausgezeichnete Künstler hat zahlreiche Arbeiten für den Öffentlichen Raum geschaffen. Galerien in Warschau, Stettin, Wiesbaden, Berlin, der Württembergische Kunstverein Stuttgart und der Kultursenat Berlin zeigten seine Arbeiten. Für den Wewerka-Pavillon realiserte der Berliner vor einigen Jahren die Installation "birdies". Goldberg nimmt einen Lehrauftrag für Fotografie im Öffentlichen Raum an der Alice-Salomon-Fachhochschule in Berlin wahr. Zur Ausstellung in Münster ist ein Katalog erschienen.

Städtische Ausstellungshalle Am Hawerkamp, Am Hawerkamp 22 in Münster. Öffnungszeiten: Donnerstag bis Freitag 16 bis 20 Uhr, Samstag / Sonntag 12 bis 18 Uhr.

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