Neues Leben mit historischem Reiz
Vor 100 Jahren, am 15. und 16. Oktober 1899, wurde der münstersche Stadthafen mit großen Feierlichkeiten eröffnet. Wenige Monate zuvor war der Dortmund-Ems-Kanal in Betrieb genommen worden. Die neue Wasserstraße verband die aufstrebende Provinzialhauptstadt mit dem Dortmunder Industriegebiet und Emden an der Nordsee.
Vorausgegangen waren lange Planungen, bis sich die Stadt für das Gelände zwischen Albersloher Weg, Hansaring und Schillerstraße entschied. Den Ausschlag gaben die Nähe zur Stadt und die guten Eisenbahnverbindungen. Kennzeichen - so Fritz Dieter von Poblotzki vom städtischen Amt für Liegenschaften und Stadterneuerung - die auch heute noch das große Entwicklungspotential des Standorts ausmachen.
Damals kaufte die Stadt Münster das Gebiet systematisch von den Umlandgemeinden auf. Vorher war hier Bauernland, Straßenbezeichnungen wie "Am Hawerkamp" erinnern noch daran.
Von Anfang an wurden die umliegenden Betriebsgrundstücke durch Straßen-, Gleis- und Wasseranschlüsse hervorragend mit dem Hafen verbunden. Nicht zuletzt deswegen entwickelte sich Münsters Hafen schnell zum Importhafen und führenden Umschlagsplatz für land- und forstwirtschaftliche Produkte. Zahlreiche Industrie- und Handelsunternehmen ließen sich nieder. Die Stadt errichtete eine repräsentative Hafendirektion.
Am Albersloher Weg siedelte sich das Gas- und Elektrizitätswerk an, Vorläufer der heutigen Stadtwerke. 1913 kaufte die Stadt den Privathafen der Spedition Peters, den heutigen Stadthafen II.
Der Zweite Weltkrieg setzte der wirtschaftlichen Blüte ein jähes Ende. Bomben zerstörten viele Betriebe. Die beiden Hafenbecken waren zu mächtigen Sümpfen geworden, "aus deren Schlamm die gespensterischen Wracks gesunkener Schiffe, Güterwagen, Schienen und Kräne mit rostigen Armen herausragten", schrieb der städtische Archivrat Dr. Hövel 1949. Das Wasser in den Anlagen konnte erst nach Kriegsende abgelassen werden.
Nach dem Krieg wurde der Baustofftransport für den Wiederaufbau zwar zügig aufgenommen, die große Zeit des Schiffsverkehrs war aber endgültig vorbei. Seit Mitte der 60er Jahre setzte ein schleichender Strukturwandel ein. Immer mehr Betriebe wickelten ihre Transporte lieber auf der Straße ab. Umschlagszahlen gingen zurück. Firmen schlossen oder wanderten ab. Leerstehende Lagerhäuser, ungenutzte Betriebsgelände und brachliegende Grundstücke prägten das Hafenbild.
Seit Mitte der achtziger Jahren gibt es Bestrebungen der Stadt Münster, das Quartier zu revitalisieren. Die meisten Erbpacht- und Mietverträge liefen Ende 1996 aus. Das machte es möglich, Hallen und Gebäude, die seit 1953 im städtischen Auftrag von den Stadtwerken vermietet werden, neu zu verpachten. Grundstücksneuordnungen nach den städtischen Planungen sind jetzt realisierbar. Dabei soll niemand "vor die Tür gesetzt" werden, bevor nicht eine passende Alternative gefunden ist. Die Stadt wird dabei Hilfe und Unterstützung geben.
Im Zuge der Umgestaltung soll auf keinen Fall die Vergangenheit dieses Gebietes von der Bildfläche verschwinden. Ganz im Gegenteil. Der historische Charme vieler Ecken und Winkel wird wieder zum Vorschein kommen und gleichzeitig wird Raum für neue Entwicklungen geschaffen.