Das vermutlich um 1530 errichtete „große Bollwerk“ sollte einst Schutz bieten vor Angriff und Belagerung. Als Teil der Befestigungsanlage sicherte der Wehrturm im 16. und 17. Jahrhundert einen sensiblen Bereich - den Austritt aus der Aa an der Stadtmauer. Deutlich früher setzt die Schau im Stadtmuseum ein: Sie blendet mit aktuellen Forschungsergebnissen zur Stadtverteidigung auf die Jahre 1200 bis 1500. An drei neu gezeichneten Grundrissplänen Münsters - 1220, 1350 und 1536 - lässt sich das ausgeklügelte System studieren.
Bis heute verfehlen die Gefängniszellen bei Rundgängen im Zwinger nicht ihre Wirkung auf Besucher. In der Museumsinszenierung markieren sie fünf Stationen aus der bewegten Geschichte: Bollwerk, Gefängnis, Künstlerheimstatt, Kulturheim der Hitlerjugend und Hinrichtungsstätte der Nationalsozialisten. „Seit zehn Jahren ist der Zwinger offizielles Mahnmal der Stadt Münster, seit 20 Jahren Kunstwerk. Diese beiden Jubiläen sind der Anlass für eine Bilanz, die die Bedeutung des Zwingers als Denkmal und Kunstwerk für die Stadtgeschichte herausstellt“, erläutert Museumsdirektorin Dr. Barbara Rommé.
„Mit rund 150 Objekten entsteht ein anschauliches Bild eines in Münster einzigartigen Gebäudes“, ergänzt Dr. Bernd Thier, verantwortlicher Museumsmitarbeiter. Zahlreiche neue Forschungsergebnisse - Resultat intensiver Recherchen in Münsters Archiven - fließen in die Ausstellung ein. Besonders seine Nutzung als Gefängnis im 18./19. Jahrhundert lassen sich danach viel detaillierter aufzeigen.
Jeder Nutzungsphase sind zeitgenössische Augenzeugenberichte zugeordnet. So berichtet Hermann Kerssenbrock 1573 über den Wehrturm, der nach den Täuferunruhen auch „Dwenger“ genannt wird. Später dient er als Rossmühle und Pulverlager, ehe nach Plänen des Barockbaumeisters Schlaun 1731/ 1732 durch massive Umbauten ein Untersuchungsgefängnis entsteht. Dass es den entrechteten Gefangenen im Zwinger ungleich miserabler ergeht als den Insassen im angrenzenden Zuchthaus, lässt sich einem Untersuchungsbericht aus dem Jahre 1802 entnehmen.
Ein Selbstbildnis des Malers Friedrich Wilhelm Liel erinnert an die 15-jährige Etappe des Zwingers als Arbeitsort eines Künstlers. „1919 ließ der von Berlin nach Münster versetzte Künstler das leer stehende Gebäude zu Wohn- und Atelierzwecken umgestalten“, berichtet Dr. Bernd Thier. „Warm, behaglich und freundlich“, hieß es damals in Pressestimmen über das eigenwillige Künstlerdomizil.
1939 nutzt die Hitlerjugend das Gebäude für Heimat- und Kulturabende, ehe der Zwinger 1944 zu einem Ort des Schreckens und des Unrechts wird. Die Gestapo missbrauchte seinen abgeschiedenen Innenhof für Folter und Hinrichtungen.
Für den langen Weg zum Mahnmal hat das Stadtmuseum eine eigene Ausstellungswand reserviert. Er spiegelt sich in zahlreichen Fotografien, Medienberichten, Fotografien, Entwürfen und Gegenentwürfen. „Nahezu 35 Jahre sollte die Auseinandersetzung um Abriss, Restaurierung und Nutzung dauern“, erinnert Bernd Thier. Auch die umfassende Sanierung des denkmalgeschützten Bollwerks zeichnet das Stadtmuseum unter anderem in einem achtminütigen Film nach.
Heute beherbergt der Zwinger mit der Rebecca Horn-Installation „Das gegenläufige Konzert“ eine der bedeutendsten Skulpturen Münsters. Mit wenigen präzisen Mitteln - die Ausstellung zeigt dazu großformatige Farb-Ansichten - hält die renommierte Bildhauerin die Erinnerungen an die Verfolgung Unschuldiger wach. „Die Symbiose von Kunstwerk und restauriertem Gebäude ist ein Glücksfall“, urteilte die Öffentlichkeit zur Einweihung des Zwingers als Mahnmal der Stadt Münster 1997. Zehn Jahre später wird er erneut zum Publikumsmagnet: Während der internationalen „skulptur projekte 07“ ist der Zwinger täglich von 10 bis 22 Uhr geöffnet.
Info: Ausstellung „Der Zwinger in Münster – Bollwerk, Kunstwerk, Mahnmal“, 15. Mai bis 23. September 2007, dienstags bis freitags 10 bis 18 Uhr, samstags/sonntags 11 bis 18 Uhr im Stadtmuseum, Salzstraße 28. Katalog (72 Seiten) 9.80 Euro im Aschendorff Verlag, Münster.