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Stadtmuseum Münster
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samstags, sonn- und feiertags 11-18 Uhr,
montags geschlossen,
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23. August 1998 - 11. April 1999

Vom unterirdischen Münster

Die Ausgrabungen an der Stubengasse

Die anstehende Neubebauung des Parkplatzes "Stubengasse" in der Innenstadt von Münster bietet die seltene Gelegenheit, Stadtgeschichte auch anhand von archäologischen Quellen zu erkunden. In drei Abschnitten soll das Gelände während der Jahre 1997 bis 1999 untersucht werden. Zur Halbzeit der Ausgrabung haben sich die Städtische Denkmalbehörde und das Stadtmuseum entschlossen, einen ersten Zwischenbericht in Form einer Ausstellung vorzulegen.
Die Geschichtsforschung vermutet eine Besiedlung des Areals zwischen Loerstraße, Stubengasse und Clemensstraße schon im 9. Jahrhundert.
Zur Zeit der Stadtgründung Münsters sollen dort, wie der schriftlichen Überlieferung zu entnehmen ist, zwei landwirtschaftliche Höfe gestanden haben: Im Norden Hof Nerdinck, der dem Domkapitel gehörte, im Süden der bischöfliche Hof Eschhues. Beide Höfe lagen in der Frühzeit außerhalb der befestigten Domburg und wurden erst mit der Errichtung der Stadtmauer (etwa im Verlauf der heutigen Promenade) in der Zeit um 1200 in das Stadtgebiet einbezogen. Der Hof Nerdinck war möglicherweise mit jenem Wassergraben (Gräfte) umgeben, der auf der ältesten Ansicht dieses Areals dargestellt ist. Im Vogelschauplan von Everhard Alerdinck aus dem Jahre 1636 ist das von der Gräfte eingeschlossene Grundstück als Gartenland zu erkennen. Der Wassergraben des Hofes Nerdinck bestand - soweit uns dies die historischen Quellen überliefern - bis in das Jahr 1744. Die Bewohner der anliegenden Grundstücke "entsorgten" dort über Jahrhunderte ihren Unrat und hinterließen den Archäologen somit reichhaltiges Fundgut: Der Großteil der bisher bei den Grabungen geborgenen Fundstücke, zahlreiche Objekte aus Keramik, Glas, Metall, Holz, Knochen und Leder, stammen aus diesem Graben.

Brunnen und Kloaken

Ausgrabungsarbeiten an zwei Brunnen, links ein Holzkastenbrunnen (Mitte 14. Jahrhundert), rechts ein Ziegelbrunnen (um 1600)

Entlang der Stubengasse reihten sich, wie ebenfalls aus dem Plan Alerdincks ersichtlich wird, dicht an dicht schmale giebelständige Häuser, deren Grundstücke bis an die Gräfte heranreichten. In den Hinterhofbereichen, die ergraben werden konnten, offenbarte sich den Archäologen das zuweilen wenig appetitliche Spektrum privater Ver- und Entsorgungsprobleme in der Enge einer dichtbesiedelten mittelalterlichen Stadt: Abfallgruben lagen dicht neben Brunnen aus unterschiedlichen Zeiten. Der Kadaver einer Kuh, die vermutlich an einer Seuche einging, wurde um 1300 an Ort und Stelle vergraben. Ausgediente Brunnen wurden zunächst als Kloake weiterverwendet und später zugeschüttet. Als sie in Vergessenheit geraten waren, wurden neue Brunnen in den fäkalienverseuchten Boden eingetieft. Das Fundmaterial aus diesen Bereichen ermöglicht uns heute wertvolle Einblicke in die Lebens- und Arbeitswelten der münsterischen Bürger im Mittelalter und der frühen Neuzeit. Die Stadtarchäologie bietet so die Möglichkeit, auch den Alltag dieser Menschen wieder zu entdecken und unbekannte Aspekte der Stadtgeschichte zu erhellen.

Clemens-Hospital und rätselhafte Gräber

Im nördlichen Bereich des Geländes an der Stubengasse befand sich das zwischen 1745 und 1751 nach den Plänen J. C. Schlauns errichtete Clemens-Hospital. Im Zweiten Weltkrieg wurde es, wie seine zahlreichen Nebengebäude aus den nachfolgenden Epochen, zerstörte. Die Fundamente dieser Anbauten konnten bei den Grabungen erwartungsgemäß aufgedeckt werden. Im südlichen Teil werden bei den Untersuchungen im kommenden Jahr die Überreste der seit 1613 errichteten und bis in das beginnende 20. Jahrhundert in Teilen existierenden Gebäuden des Clarissenklosters erwartet.

Die geheimnisvollen Toten

Vollkommen unerwartet wurden bei den ersten Baggerarbeiten im Frühjahr 1998 zahlreiche Reste menschlicher Skelette gefunden. Über einen Friedhof an dieser Stelle war nichts bekannt. Anfängliche Vermutungen über den Ursprung der Bestattungen bestätigten sich nicht. So dachte man an ein Kollektivgrab aus dem Ende des Zweiten Weltkrieges, in dem möglicherweise Opfer des Bombenkrieges oder Hingerichtete verscharrt worden seien. Die Analysen der Pathologen der Westfälischen Wilhelms-Universität erbrachten jedoch ein deutlich höheres Alter der Skelettfunde, was diese Vermutung widerlegte.
Die anschließende Freilegung von über 60 weiteren Skeletten sowie die Funde einiger datierbarer Objekte aus den Gräbern zeigten, daß im Bereich des Parkplatzes Stubengasse im 18. Jahrhundert im ehemaligen Hinterhofbereich der Gartengrundstücke Bestattungen durchgeführt wurden. Die meisten Verstorbenen wurden "christlich", d.h. in Ost-West-Richtung begraben, einige jüngere jedoch in der ungewöhnlichen Nord-Süd-Richtung. Bei den Bestattungen konnten Sargreste und Sargnägel nachgewiesen werden. Die Herkunft der Toten ist nicht bekannt. Einige wiesen Spuren anatomischer Untersuchungen auf, so daß nunmehr vermutet wurde, daß hier ein sogenannter Anatomiefriedhof vorliegen könne. Dieser befand sich jedoch nach Aussage der Schriftquellen an einer anderen Stelle der Stadt.

Ein Friedhof des Clemens-Hospitals?

Für die Interpretation der Skelettfunde liefert das Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Münster vom 15. September 1998 neue Fakten: Alle untersuchten Skelette sind männlich! Daher ist zu vermuten, daß es sich bei den Toten um verstorbene Patienten aus dem Clemenshospital handelt, die im Gartenbereich des Hospitals bestattet wurden: Bis 1818 wurden im Hospital ausschließlich Männer behandelt. Da - bis in das 19. Jahrhundert hinein - auf den Pfarrfriedhöfen der Stadt nur Katholiken bestattet wurden, handelt es sich bei den Toten von der Stubengasse vermutlich um nicht katholische oder fremde Personen, die im Hospital zwischen ca. 1751 und 1800 verstorben sind. Unter diesen Patienten befanden sich nach Ausweis der erhaltenen Patientenlisten zahlreiche durchreisenden Gesellen oder Händler aus Dänemark, Schweden, Italien, Österreich und Böhmen. Die noch ausstehenden DNA-Analysen der Knochenfunde könnten diese Fremden unter den Bestatteten ausfindig machen. Das Institut für Rechtsmedizin wird seine Untersuchungen an den Skelettresten fortsetzen.

Ausstellung der archäologischen Arbeit

Skelett eines kleinwüchsigen Rindes, vergraben um 1300

Die Ausstellung im Stadtmuseum soll als Werkstattbericht verstanden werden und den Blick hinter den Bauzaun in die alltägliche Arbeit der Archäologen ermöglichen. Durch aufwendig inszenierte Grabungssituationen werden die Besucher erstmals in dieser Form im Museum durch die Ausgrabung geleitet. Die Profile der Grabungsschnitte sind an den Wänden des Ausstellungsraumes mit Erdschichten und Fundstücken rekonstruiert, so daß man gleichsam in die Grabung hineingeht und die Ergebnisse "in situ" vor Augen hat. So werden die wichtigsten Befunde des Jahres 1997, z. B. ein Mauerfundament auf einem hölzernen Pfahlrost aus dem 18. Jahrhundert, das Rinderskelett und ein Ziegelbrunnen präsentiert. Da eine Grabung stets zugleich die Zerstörung der historischen Quellenbasis bedingt, werden dem Besucher besonders die aufwendige Dokumentation sowie verschiedene Methoden der Bergung und Altersbestimmung vor Augen geführt. Soweit die Konservierung und Restaurierung der Funde dies bereits zuläßt, werden - nach thematischen Schwerpunkten - Keramikgefäße sowie Objekte aus Glas, Metall, Knochen und Leder in ihrem derzeitigen Zustand präsentiert. Die "Aktuelle Vitrine" informiert über die laufenden Grabungsergebnisse, neue Funde sowie den Stand der Untersuchung an den bisher geborgenen Bestattungen.

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