Stadt Münster: Die Ausgrabungen auf dem Parkplatz an der Stubengasse 1997 bis 1999

Zwischen Clemenskirche und Klarissenkloster

Die Ausgrabungen auf dem Parkplatz an der Stubengasse 1997 bis 1999

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Was ein verstopfter Graben verrät

Mathias Austermann

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Bürgerliches Wohnen in der Neuzeit

Seit dem 15. Jahrhundert entwässerte die "Bummel" das Gelände in den Hinterhöfen an Stubengasse, Loerstraße und Hundestiege. Im 17. Jahrhundert verstopfte der Graben mit Unrat, schwierige hygienische Verhältnisse waren vermutlich die Folge für die Anwohner von Stubengasse und Pauli-Freiheit. Anhand der archäologischen Funde lässt sich das recht gut nachvollziehen: In der "Bummel" lag die Mehrzahl der Funde, darunter allein rund 10.000 Keramikfragmente! Hinein geworfen, verloren oder aufgrund mangelhafter Befestigung des Grabenrandes hineingerutscht, in jedem Fall haben sie den Graben in erheblichem Maße verunreinigt.

Des einen Leid, des anderen Freud: Für die Archäologen sind die Funde aus der "Bummel" ein Glücksfall. Sie vermitteln über den Hausrat Einblick in das alltägliche Leben in den Bürgerhäusern vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Über die Lebensumstände der Bewohner in der frühen Neuzeit ist deshalb deutlich mehr bekannt als über die im späten Mittelalter.

Tischgeschirr der frühen Neuzeit

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An Stubengasse und Loerstraße lagen vom 16. bis 18. Jahrhundert überwiegend durchschnittliche Bürgerhaushalte. Handwerksbetriebe hat es – zumindest nach der Befundlage in den Hinterhöfen – nicht gegeben. Die Häuser selbst wurden mehrheitlich als Fachwerkgebäude mit Ziegelausfachung errichtet. Von den mit Glasscheiben versehenen Fenstern haben sich einige eiserne Beschläge erhalten. Die große Zahl der gefundenen Dachpfannen lässt auf Ziegeldächer schließen. Beheizt wurden zumindest einige Gebäude mit den, in der Renaissance üblichen prunkvollen Reliefkachelöfen. Nicht zuletzt wurden Reste eiserner Beschläge der hölzernen Einrichtung gefunden.

Menge und Formenvielfalt des Geschirrs in den frühneuzeitlichen Haushalten nahmen im Vergleich zu den vorhergehenden Jahrhunderten noch einmal deutlich zu. Gänzlich neu waren beispielsweise flache Teller. Sie ersetzen im späten 16. Jahrhundert die seit dem Mittelalter üblichen hölzernen Brettchen.

Die Mehrzahl der Alltagsgefäße wurde aus einfachen, einfarbig glasierten Irden waren hergestellt. Produziert wurden sie in Töpfereien der näheren Umgebung. Aufwändiger farbig glasierte Schalen und Teller stammten dagegen meist aus den Töpfereien Südniedersachsens oder Nordhessens. Erst seit dem 17. Jahrhundert wurden sie in den Werkstätten des Münsterlandes hergestellt.

Im 16. Jahrhundert bezogen die Haushalte an der Stubengasse wertvolle Steinzeuggefäße weiterhin aus den Töpfereizentren des Rheinlandes, beispielsweise die recht aufwändig hergestellten "Bauerntanzkrüge" aus Raeren. Seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts bevorzugte man blau ornamentierte Westerwälder Steinzeuge.

Mit dem Import fernöstlichen Porzellans nach Europa im 17. Jahrhundert veränderte sich ganz allmählich die Zusammensetzung des Haushaltsgeschirrs in den bürgerlichen Haushalten. Das einfache Geschirr aus Irdenware verlor immer mehr Marktanteile zugunsten des modernen Porzellans, häufiger noch gegenüber den preiswerteren Porzellanimitaten aus Fayence. Die meist mit blauen, seltener mit farbigen Ornamenten versehenen Fayencen wurden vornehmlich aus den Niederlanden bezogen. Ebenso die seit Beginn des 17. Jahrhunderts in Münster sehr beliebten Tabakspfeifen.

Für die neuen Genussmittel Kaffee und Tee waren Tassen, Untertassen, "Koppchen" (kleine, henkellose Tässchen) und Kaffeekannen gedacht. Sie sind seit dem 18. und bis in das 19. Jahrhundert an der Stubengasse im Gebrauch.


Zu Anfang des 19. Jahrhunderts eroberte zunehmend industriell hergestelltes Steingut den münsterschen Markt. Seitdem bestand das keramische Haushaltsinventar aus Porzellan, Steingut, Steinzeug und nur noch sehr selten aus einfachen Irdenwaren. Aus Bad Ems, Friedrichshall, Heppingen, Karlsbad und Neuenahr bezog man Mineralwasser, das in hohen, schmalen Steinzeugkrügen, fast schon modern anmutenden "Einwegverpackungen", geliefert wurde.

Doch das archäologische Fundgut umfasst mehr als den keramischen Bestand in einem typischen Haushalt dieser Zeit. In einer Latrine des 18. Jahrhunderts fanden sich viele Gegenstände, die von einem materiell durchaus angenehmen Leben an der Stubengasse zeugen. Kostbare Flügelgläser sind ebenso zu nennen wie weitere gläserne Kelche, Becher und Weinflaschen. Die von weit her importierten Austernschalen aus der "Bummel" beweisen ebenfalls, dass sich die Bewohner gelegentlich auch "Luxuswaren" leisten konnten. Gleichfalls ist die recht hohe Zahl an Behältern für Salben, Tinkturen und ähnliche Medizinprodukte hervorzuheben.

Funde aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert sind, das gilt für alle Grabungsschnitte, nur noch sporadisch anzutreffen. Seit dieser Zeit gibt es in Münster eine funktionierende Müllentsorgung, der anfallende Unrat wurde zu großen Abfallhalden außerhalb der Stadt gebracht.


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