Stadt Münster: Die Ausgrabungen auf dem Parkplatz an der Stubengasse 1997 bis 1999

Zwischen Clemenskirche und Klarissenkloster

Die Ausgrabungen auf dem Parkplatz an der Stubengasse 1997 bis 1999

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"Buten und Binnen"

Höfe und Hinterhöfe zwischen Loerstraße und Stubengasse

Mathias Austermann

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Die Anfänge: Vom Ende des 12. bis zum 14. Jahrhundert

Es gibt nur wenige Reste, die der frühesten Zeit, der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, zugeordnet werden können: einige kleine Gruben, schmale, flache Gräben sowie Reste eingetiefter Pfosten, die sich nicht zu einem Hausgrundriss zusammenfügen lassen.

Diese Befunde sind nicht über die gesamte Ausgrabungsfläche verstreut, sondern treten konzentriert unter oder in der Nähe der Fundamente des Klarissenklosters aus dem beginnenden 17. Jahrhundert auf. Die schmalen Gräbchenreste verlaufen fast in der Flucht der aus den historischen Karten gut bekannten Grundstücksgrenzen des Klosters.

Hier, im südlichen Zwickel der nachmaligen Straßenzüge von Stubengasse und Loerstraße, muss daher ein Gebäude gestanden haben, das sich nach Norden mit einem Gräbchen (und wohl auch einem Zaun) gegenüber dem Nachbarn abgrenzte. Nicht zu erkennen ist, ob es sich um ein bäuerliches Gehöft oder aber um ein einfaches Gebäude anderer Zweckbestimmung handelte. Ebenso offen muss die Frage bleiben, ob die Stubengasse bereits zu dieser Zeit bestand. Es ist gut möglich, dass sie erst später trassiert wurde.

Die Bebauung der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts fällt in eine Zeit der kräftigen Ausweitung des Stadtgebietes von Münster und der damit verbundenen regen Bautätigkeit; das Phänomen ist aus ganz Westfalen bekannt. Für die auch in Münster stetig anwachsende Bevölkerung richtete Bischof Hermann von Katzenelnbogen nach 1174 die neuen Pfarrsprengel Ludgeri, Aegidii, Martini und Servatii ein, und spätestens um 1200 vollendete man den Bau der neuen Stadtmauer.

Etwa zu dieser Zeit (vor 1168) vergab Bischof Friedrich II. die Einkünfte aus seinem Teil des "Eschhues" an den Domküster, der damit die nicht unerheblichen Aufwendungen zum Totengedenken des Bischofs finanzieren sollte. Ob in diesem Zusammenhang auf dem Grundstück des "Eschhues" an der Loerstraße nun ein erstes Gebäude entstand, kann dagegen nur vermutet werden.

Foto: Der große Pfostenbau des 13. Jahrhunderts

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Mit der Wende zum 13. Jahrhundert ist eine deutliche Veränderung im südlichen Teil der Ausgrabung zu erkennen. Ein Pfostenbau mit einer doppelten Reihe mächtiger Pfosten entstand, dessen Grundfläche mindestens 200 m2 betragen haben muss. Zu diesem Gebäude gehörten ein Holzkastenbrunnen, dessen jüngstes Bauholz im Jahre 1201 gefällt wurde, einige Materialentnahme- und Abfallgruben sowie wahrscheinlich weitere Gebäude. Lägen Häuser, Gruben und Brunnen im Münsterland, würde man anhand dieser Reste zweifellos eine Hofanlage mit einem zentralen "Haupthaus" in Zweiständerbauweise auf einem etwa 2000 m2 großen Hofareal rekonstruieren.

Bedenkt man aber, dass zur gleichen Zeit die Stadtmauer entsteht, verwundert es schon, hier diesen sehr ländlich anmutenden Pfostenbau vorzufinden. Auch der biologische Inhalt des Kastenbrunnens lässt auf eine landwirtschaftliche Nutzung des Siedlungsumfeldes schließen.

Einige wenige Besiedlungsspuren finden sich auch noch etwas weiter nördlich sowie östlich des wahrscheinlich zu einem Hof gehörenden Gebäudes. Ob diese Hausreste zum vermuteten Hofareal gehören oder aber anderen Grundstücken zugeordnet werden müssen, ist nur schwer zu entscheiden. Schmale Grenzgräbchen machen aber die Zugehörigkeit zu weiteren Siedlungseinheiten wahrscheinlich.

Zu Beginn des 13. Jahrhunderts müssen im Stadtgebiet Münsters also noch ausgedehnte Freiflächen existiert haben. Insgesamt scheint die Grundstücksstruktur, aber auch die Straßenführung an der Stubengasse noch nicht verfestigt. Das eindeutig nicht in der Flucht von Stubengasse oder Loerstraße, sondern in der Mitte des rekonstruierten Grundstückes liegende große Gebäude ist wahrscheinlich vor der endgültigen Trassierung der Straßen errichtet worden. Seine Grenzen dürften damit den Kristallisationskern gebildet haben, an dem sich Grundstückszuschnitt und auch Straßenführung des spätmittelalterlichen Straßennetzes ausrichteten.

Im weiteren Verlauf des 13. Jahrhunderts sind auch in den nördlicher gelegenen Ausgrabungsschnitten Siedlungsaktivitäten zu erkennen. Diese Indikatoren sind allerdings nicht annähernd so eindeutig wie der große Pfostenbau im südlichen Teil. Einigermaßen sicher zu lokalisieren ist nur ein relativ kleines Pfostengebäude, das südlich eines Ost-West verlaufenden Grabens errichtet wurde. Der Graben selbst ist sicher kein einfacher Grenzgraben. Er scheint angelegt worden zu sein, um die auch im hohen Mittelalter recht feuchte flache Senke der "Wische" zu entwässern, ein Aufwand, der sich nur dann lohnt, wenn das Areal intensiv genutzt wird.

Schon deshalb kann man davon ausgehen, dass sowohl nördlich als auch südlich des Pfostengebäudes im 13. Jahrhundert weitere Gebäude gestanden haben. Das bezeugen auch vereinzelt erfasste Pfostengruben, die in diese Zeit datiert werden können. Zum Ende des 13. Jahrhunderts ist dann eine lockere, aber vollständige Aufsiedlung des Areals anzunehmen.

Um die folgende Jahrhundertwende ist auf dem südlichen Grundstück dann ein erstaunlicher Nutzungs-wechsel zu beobachten. Man ersetzte hier das bereits baufällige große Pfostengebäude nicht durch ein moderneres Gebäude, sondern ließ es verfallen. Das Areal wurde nun genutzt, um hier in kurzer Zeit eine ganze Reihe Tierkörper zu vergraben. Weshalb war das Grundstück nun so unbedeutend, dass es nur noch als eine Art "Schindanger" genutzt werden konnte? Jedenfalls lag es bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts praktisch brach, erst dann wurden hier neue Gebäude errichtet.


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