Stadt Münster: Die Ausgrabungen auf dem Parkplatz an der Stubengasse 1997 bis 1999

Zwischen Clemenskirche und Klarissenkloster

Die Ausgrabungen auf dem Parkplatz an der Stubengasse 1997 bis 1999

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Klarissenkloster und Clemenshospital

Großbauten verändern ein Stadtquartier

Stephan Winkler

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Die Bürgerparzellen

Bürgerparzellen

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Die bürgerliche Bebauung konnte von archäologischer Seite nur noch in einem schmalen Streifen an der Stubengasse untersucht werden. Im Süden hatte die Errichtung des Klarissenklosters die Vorgängergebäude beseitigt. Im Norden und Osten lagen die bebauten Teile der mittelalterlichen Parzellen, bedingt durch die Neuordnung der Straßenführung nach dem Zweiten Weltkrieg, außerhalb des Parkplatzareals. Nach den Schriftquellen waren an der Stubengasse überwiegend Bürger und Handwerker zu Hause: Agenten, Metzger, Sekretäre, Kaminfeger, Krämer, Fassbinder, Schreiner, Drechsler und Schuster lassen sich in den Schriftquellen nachweisen. Auch zwei Badestuben, die der Stubengasse ihren Namen gaben, fanden hier ihre Kunden.

Alerdinck zeigt in seiner Stadtansicht aus dem Jahre 1636 schmale, giebelständige Häuser auf langgezogenen Parzellen, die im 17. Jahrhundert bis an den Entwässerungsgraben, die sogenannte Bummel, heranreichten. Die Nachbarschaft zu diesem Gewässer brachte Probleme mit sich. So beschwerte sich der Sekretär Bernhard Detten am 15. Juni 1688 in einem Brief an das Domkapitel darüber, dass von der Bummel "ein solcher abscheulicher Gestank in der Gegend verursacht wird", dass er um die Gesundheit der ganzen Stadt fürchtete. Verantwortlich für diesen Zustand waren die Anwohner, die ihre Abfälle und Fäkalien im Graben entsorgten.

Zwei Brunnen

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Auf vier Parzellen zwischen Klarissenkloster und Clemenshospital wurden Reste von Häusern freigelegt. Sie waren jeweils zwischen 6,60 und 7,20 m breit, die Länge konnte nicht ermittelt werden. Die Gebäude orientierten sich in ihrer Ausrichtung an der Stubengasse. Zwischen ihnen lag eine Traufgasse, die – zumindest in einem Fall – gepflastert war. Wie die Gebäude im Einzelnen genutzt wurden, bleibt unbekannt, da sich keine aufgehenden Mauern oder Reste einer Inneneinrichtung erhalten haben. Zu jedem Haus gehört ein Hinterhof oder Garten, der bis an den Graben heranreichte. Abfälle aller Art wurden entweder in diese Bummel entsorgt oder im Garten vergraben. Hier lagen die Kloaken und Aborte direkt neben den Brunnen, über die sich die Haushalte mit Frischwasser versorgten. Insgesamt wurden bei der Grabung 14 Brunnen freigelegt. An der Loerstraße ließ sich die bürgerliche Bebauung nur über die Brunnen nachweisen. Vereinzelt fanden sich auch zwei Brunnen unterschiedlichen Alters an derselben Stelle. Dies belegt die Enge im Quartier, die einzelnen Funktionen über die Jahrhunderte hinweg immer wieder den selben Ort zuwies.

Wie aber sahen die Häuser aus, die an der Stubengasse standen? Ein ungewöhnlicher Befund, den Archäologen und Bauforscher bis heute nicht erklären können, gibt dazu interessante Hinweise: Im Hinterhof einer Parzelle, die sich direkt nördlich an das Klarissenkloster anschloss, wurden wohl um 1600 neben einer großen Kloake große Teile eines Fachwerkhauses vergraben. 77 Eichenbalken, die zwi-schen 1556 und 1572 gefällt wurden, waren in einer Grube versenkt worden, die etwa 2,30m lang, 0,60m breit und 1,70m tief war. Die Hölzer waren auf die Ausmaße der Grube zugesägt. 18 der Hölzer ließen sich konkret in ihrer Verwendung bestimmen. Zwei Balken hatten als Traufwandständer gedient, drei als Giebelständer. Es gab drei Stücke von Eckständern, zwei Rähm- und zwei Schwellenstücke. Weiter konnten drei Riegel, ein Teil eines Dachbalkens und zwei Fensterhölzer geborgen werden.

Die Gesamtrekonstruktion des Gebäudes muss offen bleiben, dennoch können einige grundsätzliche Aussagen über das Bauwerk gemacht werden: Es handelte sich um ein Fachwerkgerüst von mindestens vier Gebinden (drei Gefach). Bei einer Gefachbreite von etwa 1,50m und einer Ständerbreite von etwa 0,20m muss das Gerüst demnach mindestens 5,30m lang gewesen sein. Die ursprüngliche Breite ist nicht zu ermitteln, da nur das Endstück eines Dachbalkens vorgefunden wurde. Die Ausfachung war vermutlich aus Backstein. Die Wände waren grau gefasst.

Die Frage nach der Verwendung dieses Fachwerkgerüstes ist nicht endgültig zu beantworten. Möglich wäre, dass es um 1575 als kleines, eingeschossiges und traufenständiges Wohnhaus errichtet wurde. Ebenso gut könnte es sich um das Obergeschoss eines Flügelbaues handeln, wie sie im 16. Jahrhundert in vielen westfälischen Städten entstanden.

Warum aber hat jemand an der Stubengasse um 1600 ein Haus vergraben? Die Balken hätten sicher in einem anderen Bauwerk weiter verwendet werden können, als Feuerholz hätten sie auf jeden Fall noch ihre Dienste getan. Der große Aufwand, den das Vergraben und vorherige Zersägen verursacht hat, betont sicher die Besonderheit der Balken. Auch der Fund des zugehörigen Oblatenmodels erleichtert die Deutung dieses Befundes sicher nicht: Die in mindestens vier Teile zerbrochene Keramikform mit religiösen Motiven wurde offenbar absichtlich mit dem Holz vergraben. Von den drei Teilen, die gefunden wurden, lag ein Fragment unter dem Holzstapel, zwei andere lagen ordentlich obenauf 1,70m höher!


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