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Stadtarchiv / Stadt Münster
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Öffentliche Sicherung

• Was heißt Stiften?
• Rechtlicher Schutz
• Dauerhafte Verwaltung
• Vom Stiften zur Sozialpolitik

Das Rathaus von Münster um 1800 [Bildnachweis]
Das Rathaus von Münster war der Ort, von dem aus der Rat seine Aufgaben der Trägerschaft, Aufsicht und Verwaltung zahlreicher Stiftungen wahrnahm. Da das Stiften immer auf Dauer angelegt ist, muss die individuelle Initiative, die am Anfang steht, öffentlich abgesichert werden. Heute gibt es die Stiftungsgesetze der Bundesländer, aber auch in früheren Zeiten waren Stiftungen durch rechtliche Rahmenbedingungen geschützt.
Öffentliche Sicherung bedeutete früher nicht anders als heute, dass der Stifterwille so weit wie möglich zu bewahren war und dass öffentliche institutionen darüber zu wachen hatten. Diese Aufgabe konnten weltliche oder geistliche Institutionen (wie Rat oder Domkapitel) übernehmen, oder sie konnte den Pastoren der Pfarrkirche oder dem Kirchenrat (Kirchenvorstand) übertragen werden. Mit der Trägerschaft einer Stiftung wurden zum Teil auch zwei Institutionen gemeinsam beauftragt.
Über Jahrhunderte befand sich jeweils etwa die Hälfte der Stiftungen in Münster in Trägerschaft und unter der Aufsicht des Rates. Deshalb sind die Ratsprotokolle voll von Niederschriften über Beratungen und Beschlüsse, die die Stiftungen betreffen. In vielerlei Hinsicht liefen die Fäden des Stiftungswesens in Münster im Rathaus zusammen.
Unter "Was heißt Stiften?" finden Sie eine anschauliche Definition des Stiftungsbegriffs mit den Abgrenzungen zur Schenkung und zur Zustiftung. Klicken Sie "Rechtlicher Schutz" an, so erfahren Sie mehr über das gewachsene, in Münster zur Anwendung gebrachte Stiftungsrecht. "Dauerhafte Verwaltung" war immer nötig, um die sozialen Wirkungsmöglichkeiten der Stiftungen zu erhalten. "Vom Stiften zur Sozialpolitik" beschreibt den Prozess von der individuellen zur gesellschaftlichen Verantwortung für die Bedürftigen.


Was heißt Stiften?

"Gestifftet und upgerichtet" [Bildnachweis]
Heute erläutern die Stiftungsgesetze der Bundesländer den Stiftungsbegriff in ausgeprägter juristischer Sprache. Hier soll stattdessen eine allgemeingültige, auch auf die Geschichte anwendbare Begriffsbestimmung gegeben werden. Stiften heißt, Mittel zur Verfügung stellen, deren Erträge dauerhaft einem bestimmten Zweck dienen sollen. Die Mittel können zum Beispiel Immobilien (Häuser, Grundstücke) oder Finanzmittel sein. Wichtig ist, dass das Grundstockvermögen unangetastet bleibt. Es kann nach Möglichkeit durch Zustiftungen oder überschüssige Erträge vermehrt werden. Immer verbindlich ist der festgelegte Stiftungszweck, der teils allgemeiner, teils konkreter formuliert ist.
Der Bedeutungsgehalt des Wortes Stiften reicht von Anregen über Schenken bis Gründen. Im engeren Sinne ist die Stiftung aber von der Schenkung und der Gründung unterschieden. Eine Schenkung ist die Vergabe zur freien Verfügung. Geschenkte Mittel können ausgegeben werden, im Gegensatz zu zugestifteten Mitteln, die das Grundstockvermögen vermehren und die mit einem besonderen Stiftungszweck verbunden sein können. Die Gründung ist die Verwirklichung der Stiftung als dauerhafte Institution.
Gestiftet wurde zu allen Zeiten selbstverständlich nicht nur für soziale Zwecke. Gestiftet wurden Klöster, Kirchen, Altäre und Messen in großer Zahl. Heute gibt es viele Stiftungen zur Förderung der Kunst, Kultur und Wissenschaft, aber auch der Wirtschaft.


Rechtlicher Schutz

Sendschwert am Rathaus [Bildnachweis]
Seit alter Zeit war das Schwert ein Symbol für die Strafgewalt der Obrigkeit und damit zugleich Symbol für die Wahrung des Rechts. Stifterinnen und Stifter mussten sicher sein können, dass die bereitgestellten Mittel über ihren Tod hinaus ihrem erklärten Willen gemäß verwaltet werden würden. Sie mussten sicher sein können, dass die Werte erhalten blieben, so dass sich die Stiftungszwecke dauerhaft erfüllen ließen.
Immer wieder haben Stifterinnen und Stifter zum Ausdruck gebracht, dass sie wollten, dass ihre Stiftungen "zu ewigen Zeiten" erhalten bleiben sollten, oder doch, wie in einem Testament festgehalten ist, "solange Münster steht". Politische Umwälzungen, Kriege und Inflationen haben leider dazu geführt, dass viele Stiftungen ihr Kapital verloren. Erhalten blieben nur diejenigen, die durch umfangreichen Immobilienbesitz abgesichert waren. Rechtlicher Schutz hat also nicht verhindern können, dass Stiftungen in Umbruchszeiten zugrunde gegangen sind.
Oberstes Gebot zum Schutz der Stiftungen war immer die Wahrung des Grundstockvermögens. Darüber zu wachen war eine Aufgabe, die einer weltlichen oder geistlichen Institution mit amtlichem Charakter übertragen wurde. Missbrauch hatte selbstverständlich Rechtsfolgen. Die Verwalter hafteten mit ihrem Privatvermögen und konnten bei Untreue schwer bestraft werden. Beispielsweise wurde Gerd ton Belhues, Amtmann des Magdalenenhospitals, im Jahr 1548 wegen einer nicht beglichenen Schuld von 512 1/2 Talern inhaftiert. Er blieb über zwei Jahre im Gefängnis. Schließlich wurde 1553 sein Wohnhaus gepfändet. Es gelangte in den Besitz des Magdalenenhospitals.
Heute ist die Stiftungsaufsicht eine staatliche Aufgabe und liegt bei den Regierungspräsidenten der Länder.


Dauerhafte Verwaltung

Bernd von Detten, Ratsherr und Verwalter mehrerer Stiftungen, 1583 [Bildnachweis]
Der hier im Porträt als 63jähriger abgebildete Bernd von Detten (1520-1584), Gildemeister der Lohgerber, war seit 1568 Mitglied des Rates und viele Jahre Provisor des Leprosenhauses Kinderhaus und der Speckpfründe Lamberti.
Heute haben Stiftungen einen Vorstand, der dafür Sorge trägt, dass die Stiftung erhalten bleibt und wirken kann. Dessen Pflichten lagen früher bei den Provisoren, die, im Allgemeinen zu zweit, der Stiftung vorstanden. Größere Stiftungen haben heute einen Geschäftsführer. Seine Aufgaben erfüllte früher der Amtmann.
Schon seit dem 13. und 14. Jahrhundert sind Provisoren als Verwalter der Stiftungen bekannt. Spätestens bei der Gründung einer Stiftung musste festgelegt werden, durch wen die Stiftung zu verwalten war. Der Träger der Stiftung konnte jedoch neue Regelungen treffen. So ist beispielsweise die tägliche Verwaltung des Leprosenhauses Kinderhaus im Jahr 1529 vom Pastor auf einen Amtmann übergegangen. Während die Amtmänner ein Gehalt erhielten, waren die Provisoren unentgeltlich tätig. Eine große, in die Tausende gehende Zahl von Bürgern hat im Laufe der Zeit die ehrenamtliche Provisorentätigkeit zum Teil jahre- und jahrzehntelang ausgeübt.


Vom Stiften zur Sozialpolitik

Das Pfründnerhaus Kinderhaus [Bildnachweis]
Das bis heute erhalten gebliebene Pfründnerhaus Kinderhaus wurde 1662-1671 als Werk- und Erziehungshaus für arbeitslose Jugendliche errichtet.
Bedürftigen Menschen lässt sich auf verschiedene Weise helfen: Mit Almosen als einmaliger Unterstützung fängt es an, und wer Vermögen in eine Stiftung einbringt, kann vielen auf Dauer Gutes tun. Jahrhundertelang war die Armenfürsorge in Münster auf diesen beiden Säulen aufgebaut. Heute haben Bedürftige einen Anspruch auf staatliche Hilfe auf der Rechtsgrundlage des Bundessozialhilfegesetzes, das 1960 erlassen wurde. Aber Almosen werden immer noch gegeben, und Stiftungen sind immer noch unverzichtbar.
In Münster hat die durch Almosen und bald mehr und mehr durch Stiftungen ausgeübte Armenfürsorge jahrhundertelang den notwendigen Ausgleich zwischen Reichen und Armen - zumindest zum Teil - geschaffen. Lange Zeit beschränkte sich der Rat darauf, das gewachsene System der Armenfürsorge zu schützen und zu bewahren.
Erst im 16. und 17. Jahrhundert begann die Obrigkeit, zunächst der Rat, dann der Fürstbischof, durch politische Maßnahmen auf die sozialen Verhältnisse einzuwirken. Dabei waren die Stiftungen das erste Instrument einer entstehenden Sozialpolitik. Aus der Stiftung der Gisele van Reyne, Witwe des Stadtrichters Arnd Belholt, schuf der Rat eine Stipendienstiftung für Studenten (1589). Um dieselbe Zeit stiftete der Ratsherr Johann Verendorp zusammen mit seiner Ehefrau Margarta Plate das Waisenhaus, das der Erziehung und Grundbildung elternloser Kinder dienen sollte (1592). Einige Jahrzehnte später entstand im ehemaligen Armenhaus Wegesende, deren Bewohnerinnen in das Armenhaus auf der Bergstraße verlegt worden waren, ein Werkhaus für arbeitslose Jugendliche (1645). Als diese Einrichtung keinen dauerhaften Erfolg hatte, schuf Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen im ehemaligen Leprosenhaus Kinderhaus ein ähnliches Werkhaus (1671). Er ließ zu diesem Zweck einen Neubau errichten, der bis heute erhalten geblieben ist. Diese Maßnahmen sind vor dem Hintergrund einer gesellschaftlichen Höherbewertung der Arbeit und einer gesetzlichen Beschränkung des Bettelwesens (in Münster seit 1550) zu verstehen.
Eine den Stiftungen übergeordnete Sozialpolitik auch für Münster brachte dann erst die Wohlfahrts- und Sozialgesetzgebung Preußens und des Deutschen Reiches im 19. Jahrhundert.


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