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Stadtarchiv / Stadt Münster
Armut Vom Stiften Offene Armenfürsorge Leben in Armenhäusern Orte der Wohltätigkeit
Stiftungswellen

• Reiche und Arme ...: 14. Jahrhundert
• ... in einer großen Stadt: 16. Jahrhundert
• Stiften wie ein Fürst: 18. Jahrhundert
• Gründerzeit, Stiftungszeit: 19. Jahrhundert

Im Verlauf der Stadtgeschichte wechselten Phasen vermehrter und geringerer Stiftungsaktivitäten einander ab. Wie die Grafik veranschaulicht, wurden die meisten Armenhäuser um 1350 und um 1600 gegründet.
Neue Armenhäuser 1300-1650 [Bildnachweis]
Gestiftet wird in Münster seit vielen Jahrhunderten, doch in den verschiedenen Zeiten nicht in immer gleicher Intensität. Das Stiftungsverhalten der Vergangenheit war von den Phasen der Stadtentwicklung abhängig. Nachdem die Bürger in der vor 1200 ummauerten und bald immer dichter besiedelten Stadt zu Wohlstand gelangt waren, begannen sie um 1300, einen Teil ihres Vermögens auch den Armen zukommen zu lassen. Nach der ersten Stiftungswelle zwischen 1300 und 1350 begann um 1520/30 eine zweite Stiftungswelle, die aber von der Herrschaft der Täufer 1534/35 unterbrochen wurde. Sie setzte sich erst ab 1565 fort und hielt dann bis etwa 1615 an. Weitere Stiftungswellen folgten in der Mitte des 18. und, wenn auch schwächer, am Ende des 19. Jahrhunderts.
Stets wurde in politisch und wirtschaftlich unsicheren Zeiten wenig gestiftet. Solche Phasen geringer Stiftungsbereitschaft hielten nach Einschnitten in der Entwicklung der Stadt meist noch jahrzehntelang an, so nach der Pest von 1350, nach der Täuferherrschaft von 1534/35, nach dem Dreißigjährigen Krieg 1618-48 und der Unterwerfung der Stadt durch Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen 1661 oder nach der Französischen Revolution und dem daraus folgenden Übergang Münsters an Preußen 1789-1815.
Klicken Sie eines der vier Felder an, um mehr über eine der genannten Stiftungswellen zu erfahren.


Reiche und Arme...: 14. Jahrhundert

Siegel der Leprosenstiftung Kinderhaus [Bildnachweis]
Das Siegel des 1333 erstmals erwähnten Leprosoriums Kinderhaus ist ein Zeugnis aus der Zeit der ersten Stiftungswelle der münsterschen Stadtgeschichte. Der münstersche Bürger Udo von der Tinnen hatte nach 1326 die Pfarrstelle der Kinderhauser Kirche gestiftet, durch die die in Kinderhaus untergebrachten Leprakranken geistlich versorgt wurden. Der Pfarrer benötigte das Siegel auch als Verwalter der Leprosenstiftung. Später haben es die Provisoren verwendet, zwei Ratsherrren, die im Auftrag des Rates die Kinderhauser Verwaltung führten.
Das hier abgebildete Siegel ist das einzig erhaltene Exemplar an einer Urkunde. Es hängt an einem Dokument aus dem Jahr 1619. Dargestellt ist die heilige Gertrud, die Patronin von Kinderhaus, mit Äbtissinnenstab und Kirchenmodell. Die Umschrift lautet: S[igillum] rectoris ..., "Siegel des Rektors ..." (Fortsetzung vermutlich: ... eccl[esie] s[ancte] Gertr[udis], "... der Kirche der heiligen Gertrud").
Die Stiftungswelle, in der Kinderhaus entstand, hatte 1302 mit der Stiftung der Bürgerin Meinburgis de Wessede begonnen, die ihr Haus in der Stiftsherrenstraße als Wohnung für arme Witwen zur Verfügung stellte. Unmittelbar nach der großen Pest von 1350, als der Rat in Zusammenführung mehrer, allein nicht lebensfähiger Stiftungen das Armenhaus zur Aa auf der Bergstraße gründete (1354/67), fand die erste Stiftungswelle ihren Abschluss.
Bedeutende Gründungen der ersten Stiftungswelle ab 1302 waren außerdem:
Die beiden Zwölfmännerhäuser, die dem Domkapitel unterstanden (1314/24), das von dem Bürger Wilhelm de Busche 1337 gestiftete Armenhaus zum Busch auf der Neubrückenstraße und das vom Kirchspiel Überwasser gegründete Armenhaus zur Wieck auf dem Honekamp (vor 1346).


... in einer großen Stadt: 16. Jahrhundert

Das Altenheim der Cohaus-Vendt-Stiftung, um 1960 [Bildnachweis]
Nach der ersten Stiftungswelle um 1350 wurden jahrzehntelang nur wenige Armenhäuser gegründet. Erst 1475 setzte mit der Stiftung der Elende Aegidii durch den Amtmann des Magdalenenhospitals, Macharius Vegesack, eine neue Phase der Vermächtnisse zugunsten der Armen ein. Dieser Gründung folgten um 1520 die Elenden Überwasser und Lamberti. In derselben Zeit wurde auch das Armenhaus Jüdefeld gestiftet (1524). Die begonnene Stiftungswelle des 16. Jahrhunderts wurde durch die Täuferherrschaft (1534/35) für einige Jahre unterbrochen. Der Gründungsvorgang des 1524 gestifteten Armenhauses Jüdefeld konnte erst 1542 mit einer urkundlichen Bestätigung abgeschlossen werden.
Seit 1565 erfolgten dann sehr zahlreiche Stiftungen für die Armen. Ein Beispiel hierfür ist das 1588 gestiftete Armenhaus Vendt. Auf dem Grundstück des früheren Armenhauses befindet sich heute das Altenheim der Cohaus-Vendt-Stiftung.



Stiften wie ein Fürst: 18. Jahrhundert

Georg Hermann Gescher, Geistlicher an St. Martini, Stifter von 1740 [Bildnachweis]
Nachdem der münstersche Bischof Clemens August von Bayern - er war zugleich Kölner Erzbischof - 1732 das Hospital der Barmherzigen Brüder, das spätere Clemenshospital, gestiftet hatte, nahm eine Reihe von Bürgern und Geistlichen sein Beispiel auf und belebte die Stiftungslandschaft der Stadt mit einer Anzahl neuer Stiftungen.
Den Schlussakkord dieser Stiftungswelle gab 1768 der fürstbischöfliche Beamte Dr. jur. Friedrich Christian Siverdes mit seiner umfangreichen, bis heute vielfältig wirkenden Stiftung zugunsten städtischer Armer. Auch die an anderer Stelle eingehender dargestellten Stiftungen des Geistlichen Johann Georg Rave (1737) und eines weiteren Juristen, des Dr. jur. Arnold Anton Adam Jungeblodt (1753) stammen aus dieser Zeit.
Georg Hermann Gescher, Kanoniker an St. Martini, stiftete 1740 eine größere Kapitalsumme, deren Erträge an Hausarme in Münster verteilt werden sollten.
Der Fürstbischof hat durch sein Vorbild diese Stiftungen möglicherweise angeregt. Die Stiftungszwecke der städtischen Bürger und Geistlichen blieben aber traditionell. Keiner von ihnen vermochte es, eine dem Clemenshospital vergleichbare Großstiftung ins Leben zu rufen.


Gründerzeit, Stiftungszeit: 19. Jahrhundert

Theodor Scheffer-Boichorst (1819-1898), Oberbürgermeister und Stifter [Bildnachweis]
Nach der Beilegung des Kulturkampfes - so werden die Auseinandersetzungen der katholischen Kirche mit dem protestantischen preußischen Staat nach 1871 bezeichnet - war gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine vergleichsweise hohe Zahl neuer Stiftungen zu verzeichnen. Die katholischen Bürgerinnen und Bürger Münsters, die anfänglich "schlechte Preußen" waren, arrangierten sich zunehmend mit der staatlichen Verwaltung. Private Initiativen sorgten für die Linderung materieller Nöte über die einsetzende Sozialgesetzgebung hinaus. Die Verwaltung vieler Stiftungen wurde der städtischen Armenkommission übertragen.
Das Stiftungsmotiv hatte sich im Gegensatz zu früheren Jahrhunderten geändert: Entscheidend war nicht mehr die Sorge um das eigene Seelenheil, sondern die Linderung der Not der Mitbürgerinnen und Mitbürger.
Die Stifter des 19. Jahrhunderts waren in Münster in der Mehrzahl höhere Beamte, unter ihnen der Bürgermeister Theodor Scheffer-Boichorst, der 1892 in seinem Testament die "Armen der Stadt Münster" bedachte. Er verfügte, dass seine Zuwendungen der bereits bestehenden Stiftung des Rentners Franz Stieve zugegeben werden sollten. Dieser hatte laut Testament von 1878 der Stadt Münster ein Fünftel seines Nachlasses zu Armenzwecken vermacht. Zusammen mit seiner Frau Josefa stiftete auch Scheffer-Boichorsts Nachfolger im Amt, Karl Windthorst.


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